Gedanken für den September und Oktober 2025
„Gott ist unsre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben.“
Psalm 46,2
Liebe Leserin, lieber Leser,
Ein Bergsteiger war allein in den Alpen unterwegs. Das Wetter schlug um, ein Sturm zog auf, dichter Nebel legte sich über die Berge. Plötzlich rutschte er aus, stürzte einige Meter ab und blieb schließlich im Seil hängen. Völlig orientierungslos hing er nun an der Felswand. Unter ihm: Dunkelheit. Über ihm: Felsen und Sturm. In seiner Angst betete er: „Hilf mir, Gott!“
Da kam ihm ein Gedanke: „Schneide das Seil ab.“ Aber das erschien ihm absurd – das Seil war doch sein letzter Halt! Also klammerte er sich die ganze Nacht daran fest, zitternd, verzweifelt und voller Angst.
Am Morgen kam die Bergrettung. Und sie stellten fest: Direkt unter seinen Füßen war ein breiter Felsvorsprung – nur einen Meter entfernt. Hätte er losgelassen, wäre er längst sicher gewesen.
Diese Geschichte macht deutlich: Wir halten uns oft an dem fest, was wir kennen – an unseren Sicherungen, unseren Plänen, unseren eigenen Kräften. Doch manchmal merken wir, dass diese Sicherheiten nicht tragen. Dann ist es gut zu wissen: Unter uns liegt ein fester Grund. Gott selbst ist dieser Fels, der uns trägt. Genau das bekennt der Psalmbeter: „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben.“
Dieser Psalm war für viele Menschen durch die Jahrhunderte ein Trost. Auch Martin Luther hat ihn in einer sehr unsicheren Zeit neu entdeckt. Um 1527 herum: In Wittenberg war die Pest ausgebrochen, Menschen starben, Angst lag über der Stadt. Gleichzeitig wuchsen die politischen Spannungen. Die Reformation stand auf dem Prüfstand, die Fürsten mussten beim Reichstag zu Speyer 1529 für ihren Glauben einstehen, und von außen drohte die Gefahr durch die Türken. Es war eine Zeit der Angst und Unsicherheit.
In dieser Situation schrieb Luther sein berühmtes Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ – inspiriert von Psalm 46. Darin greift er das Bild des Psalms auf und malt es für alle verständlich aus: Gott ist wie eine starke, unerschütterliche Burg. Wer dort Zuflucht sucht, ist geborgen, auch wenn ringsum die Welt ins Wanken gerät. Luther wollte mit diesem Lied Mut machen, gerade dann auf Gott zu vertrauen, wenn die Nöte groß sind.
1) Ein feste Burg ist unser Gott,
ein gute Wehr und Waffen.
Er hilft uns frei aus aller Not,
die uns jetzt hat betroffen.
Der alt böse Feind, mit
Ernst er's jetzt meint,
groß Macht und viel List
sein grausam Rüstung ist,
auf Erd ist nicht seinsgleichen.
Das Lied wurde schnell zu einer Art Bekenntnishymne der Reformation. Es war wie ein gesungenes Glaubensbekenntnis: Unser Halt liegt nicht in politischen Allianzen, nicht in menschlicher Stärke, sondern allein in Gott. Deshalb nennen Historiker es manchmal die „Marseillaise der Reformation“.
Und das gilt bis heute. Auch wir kennen Stürme, die uns den Boden unter den Füßen wegziehen. Krankheiten, Sorgen um die Zukunft, Spannungen in der Welt – all das kann uns Angst machen. Doch der Psalm und Luthers Lied erinnern uns: Wir müssen uns nicht nur an unseren eigenen „Seilen“ festklammern. Unter uns liegt ein fester Grund: Gott selbst.
Wer ihm vertraut, findet Halt, neue Zuversicht und die Kraft, weiterzugehen. Darum dürfen auch wir bekennen: „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen.“
Liebe Grüße
Matthias Kasemann